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Ist die Sorge um eine Überlastung des Gesundheitssystems begründet?

Aktuell wird von der Politik verbreitet, es drohe eine Überlastung des Gesundheitssystems, es ist „5 nach 12“ laut Lothar Wieler, Chef des RKI.

Wenn ihnen nicht nach Panik ist, sondern nach echter, faktenbasierter Information – unabhängig davon ob es pro oder contra ist – abonnieren sie meinen Blog:

Um das zu beurteilen, wollen wir Deutschland und Dänemark vergleichen.

Wenn wir die Fallzahlen betrachten, liegen die Dänen in einem knappen Rennen momentan leicht vorne.

Auch was die Krankenhaus-Aufnahmen angeht, liegen Deutschland und Dänenark, abgesehen von der Dritten Welle, etwa gleich auf. Dann sieht es auf der Intensivstation wohl auch so aus, oder?

Nein. Tatsächlich liegt die Zahl der Menschen, die in Dänemark auf Intensivstation liegen, massiv unter den deutschen Zahlen, und das auch in der zweiten Welle, als es noch keine Impfung gab. Aktuell sind in Dänemark 6,88 pro 1 Millionen und in Deutschland 35,99 pro 1 Millionen Menschen wegen COVID-19 auf Intensiv – mehr als 5 mal so viel! Hat das eine Auswirkung auf die Qualität der medizinischen Versorgung? Sterben also mehr Menschen in Dänemark?

Nein. Tatsächlich sterben in Deutschland mehr Menschen als in Dänemark, obwohl Dänemark viel weniger Intensivpatienten behandelt. Mehr Intensivbehandlung ist also nicht wirklich gut. Tatsächlich ist es so, dass sich gezeigt hat, dass die zu frühe und zu lange Beatmung (die auf Intensivstation erfolgt) bei COVID-19 die Prognose verschlechtert.

Folglich droht auch kein Massensterben, wenn COVID-19-Patienten nicht auf der Intensivstation, sondern auf Intermediate Care (ICS) oder Normalstation behandelt werden.

Und selbst wenn die Normalstationen an der Belastungsgrenze wären, könnten wir noch den Pandemieplan des Landes Hessen ausschöpfen. Darin ist nämlich vorgesehen, dass z.B. auch Rehakliniken an der Patientenversorgung mit teilnehmen.

Die Sorge um eine Überlastung der Intensivstationen ist also völlig unbegründet.

Welche Rolle spielt die Impfquote?

Dänemark hat eine deutlich höhere Impfquote (76,35% zu 67,43%).

Der Unterschied spiegelt sich jedoch nicht in den Fallzahlen und den Hospitalisierungen wieder (siehe oben).

Bei den über 60jährigen gibt es in Deutschland doppelt so viele Ungeimpfte wie in Dänemark (13,7% zu 6,75%). Dies mag für einen Teil des Unterschieds (weniger als Faktor 2) der Belegung der Intensivstationen und die Sterbefälle verantwortlich sein, aber es bleibt nach der Einberechnung dieses Faktors immer noch bei 2,5-3 mal so vielen Fällen auf Intensivstation, was man ja auch in der 2. Welle sehen kann.

Eine „zu niedrige“ Impfquote ist also hier kein wesentlicher Einflussfaktor.

Woher kommt der Unterschied in den Intensivbetten?

Nun, zum einen hat Dänemark nur 1/4 der Intensivbetten Deutschlands. Dabei liegt Deutschland weit über dem Schnitt in Europa, nicht etwa Dänemark darunter. Der Grund dafür? Das lasse ich mal jemanden erklären, den sie sicherlich kennen.

Die Kritik an dem System ist nämlich schon älter. 2018 erschien dieser Artikel im Deutschen Ärzteblatt von Prof. Dr. med. Christian Karagiannidis (und anderen), der jetzt die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) leitet und sehr medienpräsent ist.

„Aus Sicht der Autoren muss zudem das DRG-System reformiert werden. Heute ist es häufig so, dass das finanzielle Überleben vieler Krankenhäuser wesentlich von den Erlösen der Intensiv- und vor allem der Beatmungsmedizin abhängt. Dadurch entstehen Fehlanreize, mehr und komplexere intensivmedizinische Leistung vorzunehmen. Hier ist dringend eine politische Korrektur notwendig, um den ökonomischen Druck auf die Intensivstationen zu reduzieren.“

Prof. Dr. med. Christian Karagiannidis et. al.

Ökonomische Fehlanreize und Jens Spahn … egal, weiter. Oder: lesen sie den Absatz nochmal, ich denke er erklärt etwas verklausuliert aber doch sehr genau, warum Deutschland so viele Intensivbetten hat.

„Schließlich müssen wir uns in Deutschland darüber hinaus auch gesellschaftspolitisch mehr als bisher fragen, ob jede maximal mögliche intensivmedizinische Therapie wirklich sinnvoll ist – oder ob nicht eine Therapiebegrenzung insbesondere bei betagten und multimorbiden Patienten mit schlechter Prognose im Einzelfall sinnvoll sein kann, um die vorhandenen Ressourcen besser nutzen zu können.“

Prof. Dr. med. Christian Karagiannidis et. al.

Mein Fazit

Heute morgen im Radio: „Die Ärzte müssen bald entscheiden, wer behandelt wird und wer nicht“. Das stimmt für die körpermedizinische Behandlung nicht. Es kommt vielleicht nicht jeder auf ein Intensivbett, aber behandelt wird in jedem Fall, im Zweifel auch auf Normalstation, das geht in Dänemark ja auch.

Die einzige Triage findet in der Psychiatrie statt, denn dort haben wir nie genug Betten. Letztes Jahr ist ein Patient, den ich in die heimatnahe Psychiatrie wegen Suizidalität und Wahnvorstellungen eingewiesen hatte, dort abgewiesen worden – alle Zimmer belegt, überall Flurbetten. Deutschland im Lockdown, Ende 2020.

Eigentlich könnte ich den Artikel ja hier beenden – aber die folgenden Zeilen hatte ich schon etwas länger geschrieben und sie helfen vielleicht, die aktuelle Situation noch besser einzuordnen.

Den Mann, der für die Lage auf den Intensivstationen verantwortlich ist, ist Jens Spahn. Dieses Video aus den Tagesthemen von Anfang 2020 sagt eigentlich schon alles aus über den Status der Krankenhäuser vor der Pandemie (ab Minute 10:06, Dauer etwa 10 Minuten, sehenswertes Interview am Ende).

Aber kommen wir nun zur aktuellen Pandemie. Ein Update des vorgenannten Artikels schreibt:

Trotz aller (politischen) Bemühungen zeigt sich hier eine dramatische Entwicklung in die falsche Richtung. Unzweifelhaft tragen die gesetzlich verordneten Mindestgrenzen bei der Pflegepersonalbesetzung dazu bei, dass weniger Intensivbetten betrieben werden können.

Prof. Dr. med. Christian Karagiannidis et. al.

Wegen der gesetzlich verordneten Mindestgrenzen können weniger Intensivbetten betrieben werden?

Tatsächlich ist es so, dass Jens Spahn mitten in der Pandemie die Zahl der verfügbaren Intensivbetten um 20% (tagsüber, Nachtschicht um 1/7) reduziert hat. Er hat festgelegt, dass ab jetzt eine Pflegekraft nur noch zwei Betten, statt vorher zweieinhalb Betten (tagschicht, nachts 3 statt 3,5), betreuen darf.

Krankenhäuser, die diese Quote überschreiten, müssen für jeden Tag Strafzahlungen leisten. Das ist der Grund, warum viele Krankenhäuser keine Patienten mehr aufnehmen wollen oder Patienten in andere Bundesländer verlegen lassen – um Geld zu sparen (!), werden Kranke also mit Krankenwagen teuer und für den Pat. belastend durch Deutschland gekarrt. Was für eine verrückte Welt.

Tatsächlich trifft die Entscheidungen in den Krankenhäusern letztendlich nicht ein Arzt, sondern ein Verwaltungsdirektor. Der ist für die Erlöse verantwortlich. Und der setzt die Chefärzte unter Druck, Rendite zu generieren.

Willkommen in der kapitalistischen Welt des deutschen Gesundheitssystems.

Ich möchte übrigens nochmal klarstellen, dass ich keinem Arzt unterstelle, Patienten falsch zu behandeln oder Patienten „unnütz“ auf Intensivstation zu legen. Ich sage nur, es geht auch anders, ohne dass dabei ein Qualitätsverlust zu Tage tritt. Allerdings werden sich dafür die deutschen Ärzte umstellen müssen (was nicht so schwierig ist) und das deutsche Gesundheitssystem muss grundlegend reformiert werden (was sehr schwierig ist, da nur die Linke sich dafür einsetzt).

PS: Ich werde versuchen, den ersten Teil in Zukunft sachlicher zu schreiben (inklusive der Überschrift des Artikels), und meine Meinung unter „Mein Fazit“ packen. Schreibt eure Meinung dazu bitte in die Kommentare.

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Veröffentlicht von Zacharias Fögen

Arzt. Psychosomatiker. Tiefenpsychologe. Verheiratet, Vater von zwei Söhnen. Gegner der Corona-Maßnahmen. Antikapitalist und Antisozialist.

18 Kommentare zu „Ist die Sorge um eine Überlastung des Gesundheitssystems begründet?

  1. Sie haben den wunden Punkt glasklar erfasst! Zwangsbeamtmung führt zum vorzeitigen Tod. Es gibt immer Aspiranten, die gerne ohne Aufsehen zu erregen, umgebettet werden, sobald auf der Intensivstation ein Platz durch Zwangsbeamtmung frei geworden ist. Dann rückt der nächst Patient nach und die Verwandten, die das nicht verhindert haben, wundern sich, warum es dem Patienten „plötzlich“ so schlecht geht. Denn vor wenigen Stunden hat er noch geplauert und gelacht. Für meine Sicht habe ich selbstverständlich Quellen von höchster maßgebender Stelle. Anonyme telegram-Geschichten lasse ich außen vor. Es gibt genug Desinformation in den freien Medien.

    16. November 2016 | Pressemeldung des Verbands Pneumologischer Kliniken (VPK):
    Eine schwere COPD führt oft auch zu Übersäuerung – nicht nur zu Sauerstoffmangel!

    Alles klar?

    Eine Anekdote von heute früh am Rande, die mir als medizinischem Laien „in den Schoß fiel“:
    Amtsärztliche Bescheinigung für eine Maskenbefreiung mit einer funktionellen Diagnose
    https://www.dz-g.ru/Amtsaerztliche-Bescheinigung-fuer-eine-Maskenbefreiung-mit-einer-funktionellen-Diagnose

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  2. Danke für den aufschlussreichen Dänemark/Deutschland-Vergleich!

    Ein Hinweis: Mann kann eine bestimmte Stelle in einem YouTube-Video direkt verlinken mit Rechtsklick und „Video-URL an dieser Stelle kopieren“. Der Tagesthemen-Beitrag zum Thema Ärzte-Überlastung beginnt dann hier:https://youtu.be/P3stl4OgjMU?t=606 (Die Zahl gibt die Sekunden seit Beginne des Videos an)

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  3. Ein sehr instruktiver Artikel. Im Hinblick auf die Anzahl der Infektionen hinkt der Vergleich aber etwas, weil Dänemark etwa zehnmal so viel testet wie Deutschland.

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  4. Danke für den Artikel. Mir fehlt eine Einordnung der Begrenzung der Patienten pro Pflegekraft. Bedeutet das Herabsetzen der Grenze nicht eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen? Kann man Jens Spahn hier nicht eine hehre Absicht unterstellen?

    Gefällt 1 Person

    1. Die Patienten werden nicht weniger nur weil das Personal jetzt weniger betreuen darf.
      Das führt dann eher dazu, dass die Dienstplanersteller weniger Personal einplanen wenn noch Betten frei sind, wenn dann aber mehr Schubweise mehr Patienten kommen stimmt der Dienstplan nicht, das bedeutet wieder Mehrarbeit und Einspringen.
      Ausserdem werden so Betten strikt abgemeldet, um keine Strafe zahlen zu müssen. Das führt zu mehr Hickhack und mehr Patientenverschickung zwischen Krankenhäusern.
      Unter dem Strich ist das nur eine Hülse, mit negativen Effekten.

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  5. Das Problem taucht in verschiedenen Zusammenhängen immer wieder auf: Ein sich in bester Absicht angestrebtes Ziel wird in ein Gesetz gegossen, ohne Rücksicht auf die Frage, ob es sich unter den gegebenen Bedingungen tatsächlich umsetzbar ist. Dabei kommen die erstaunlichsten Merkwürdigkeiten heraus, die so weit gehen können, dass sie dem Ziel zuwiderlaufen. Vernünftige Politik würde nach den Voraussetzungen fragen und diese erst einmal schaffen, und zwar in der Reihenfolge des Zeitaufwands, der für ihre Realisation benötigt wird.

    Hier hätte der erste Schritt bei der Ausbildung ansetzen müssen, und zwar sowohl bei den Pflegern, Krankenschwestern, Hebammen etc. als auch bei den Ärzten. Wer jahrzehntelang untätig zusieht, wenn die Plätze für ein Medizinstudium nur für diejenigen reichen, die ein Abidurchschnitt von 1,0 vorweisen können, und selbst unter ihnen noch weiter ausgesiebt werden muss, der löst das Problem weder durch höhere Gehälter, noch durch bessere Arbeitsbedingungen, noch durch Änderungen bei den Auswahlkriterien.

    Kurz: Span ging die Sache stümperhaft an. Doch damit steht er für die er exemplarisch für zahlreiche Entscheidungen in vielen Politikbereichen der letzten Jahrzehnte.

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  6. Hallo Herr Fögen,

    die Inzidenzzahlen von Dänemark und Deutschland verhalten sich wie ein Eislaufpaar bei Olympia und lassen sich tatsächlich nicht auf die abweichende Impfquote, an die Herr Wieler so innig glaubt, zurück führen. Sehr viel mehr erstaunt mich aber an der harmonischen Gemeinsamkeit, dass das eine Land seine Maßnahmen aufgehoben hat und das andere nicht – und trotzdem sehen wir einen nahezu identischen Verlauf.

    Ich glaube eine Antwort finden sie hier: https://www.zdf.de/nachrichten/video/politik-lanz-kekule-corona-2g-100.html
    In den 3 Minuten erklärt Herr Kekule, dass wir die Inzidenzen mit 2G selbst in Gang gebracht haben und dass wir nun in einer Kommunikationsfalle sitzen.

    Eigentlich müssten wir klar darstellen, dass die neuen Impfstoffe nicht viel taugen und die Älteren sich deshalb schnellstens nachimpfen lassen müssen. Das können unsere Politik und Medien aber nicht, weil sie den Impfgegnern damit Argumente liefern würden. Deshalb fokussiert man unverdrossen auf die Impfunwilligen, obwohl hier die Gefahr wesentlich geringer ist und macht sie für die eigenen Fehler verantwortlich – hält weiter an 2G fest, dass letztendlich nur erfunden wurde, um die Ungeimpften zu gängeln.

    PS. Ich habe wegen meines alten Computers und der alten Software leider keinen Zugriff auf mein email Postfach.

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